Um 6.30 Uhr riss mich der Wecker aus dem Schlaf. Normalerweise höre ich ihn nicht und stelle ihn, nach diversen feinen stupsern meiner Freundin, widerwillig auf den Sleep Mode.
Doch an diesem Samstag war es anders. Ein besonderer Tag. Ich stellte den Wecker ab, stand ohne jeden Anflug von Müdigkeit auf und spürte eine riesige Motivation in mir.
Es geht los. Endlich geht es los. Der Erste Ernstfall in dieser Saison mit einem Team indem, ich als Head Coach erstmals die grosse Verantwortung trage.
Mit meinem Ass. Coach Lars Dill kamen wir pünktlich am Treffpunkt im Wisacher an. Nach kurzem Hallo und schnellem Zählen der anwesenden Junioren ging es dann auf die stündige Autofahrt nach Nuglar, wo uns ein Turnier der Extraklasse erwartete.
Zu diesem Turnier sind nur Teams eingeladen worden, die eine gute Juniorenausbildung haben und mit einem Herrenteam in der höchsten Kleinfeld-Liga mitspielen. Also die Cremé de la Cremé vom Schweizer Unihockey. Alle Junioren-B versammelt in Nuglar zu diesem Turnier.
Die Jungs haben mich von Anfang an überrascht. Philipp Lätsch, dem ich die ganze Vorbereitung vor den Spielen übertragen habe (Einlaufen, Dehnen, Einspielen) kannte den Ablauf auswendig. Ohne irgendeine Bemerkung gaben sie die Handys ab, was wir als Regel in der Kick-off Sitzung festlegten.
Nun kam die Rede vor einem Spiel. Ich habe mir die ganze vorgängige Woche Gedanken gemacht, wie ich diese Rede gestalten will. Wie Motiviere ich die Junioren und stimme sie auf einen Gegner am besten ein?
Die Jungs machten es mir sehr einfach. Sie waren total konzentriert. Man merkte ihnen an, dass sie wissen um was es hier geht und was sie dafür tun müssen.
Zum Abschluss der Rede hören wir immer ‘unser’ Lied, dass uns auf die Spiele vorbereitet. Während diesem Lied, dass die Jungs selbständig ausgesucht haben, gehen alle nochmals in sich hinein und rufen in Gedanken die Spielweise, Taktik und Varianten in Erinnerung.
Ich, völlig erleichtert das meine Rede so gut angekommen ist, kam aus dem Staunen über dieses junge Team nicht mehr heraus. Als die ersten Töne aus den Boxen drangen, sassen alle Jungs mit geschlossenen Augen da und waren gedanklich völlig weg.
Das erste Spiel gegen UHCevi Gossau war für mich der Wahnsinn. Die Jungs, total auf das Spiel eingestellt und bereit, setzten unsere neue Defensivtaktik, die sie seit ca. 3 Monaten kannten, perfekt um. Gegen vorne hatten wir viele Chancen, konnten jedoch keine nutzen. Schlussendlich traf Fabian Gerecke ins gegnerische Netz und das erste Tor der Saison war gefallen.
Leider sah ich dies nicht, da ich gerade neue taktische Anweisungen an den ersten Block weitergab. Dies bereue ich heute noch. Das erste Tor meiner Mannschaft und ich konnte es nicht mit ihnen geniessen und feiern!
Wir gewannen nach einem sehr starken Auftritt das erst Spiel mit 1 zu 0. Defensiv nichts zugelassen und nach vorne viele Chancen. Ein super Auftritt nach der langen Vorbereitungsphase.
Nach nur einer Spielpause mussten wir bereits zum zweiten Spiel antreten. Und wieder stand ich mit offener Kinnlade da. Völlig fokussiert traten die Jungs auf das Spielfeld schossen kurz ein paar Bälle auf Jan Stehli ehe sie sich fürs Spiel aufstellten.
Das Spiel verlief gleich wie das Erste, mit dem Unterschied, dass unsere vermeintliche Schwäche, Chancen zu nutzen, keine mehr war. Wir trafen Treffer um Treffer, schlussendlich endete dieses Spiel mit 6 zu 2 gegen UHC Sissach.
Das grösste Highlight für mich war der Treffer unseres jüngsten Teammitglieds. Noel Kubli, der seine Leistungen im Training immer schmälert, traf aus sehr spitzem Winkel zum 3 zu 2 ins Tor und schoss somit das Game-Winning-Goal.
Nach diesem Spiel hatten wir über eine Stunde Wartezeit. Für die Jungs eine Verschnaufs- und Essenspause. Da die Jungs keine Handys zur Verfügung hatten, redeten sie miteinander. Viele Eltern wurden auf dies aufmerksam und fanden dies eine super Idee. Dieses Vorgehen wendet Patrick Wanner seit meiner Ass. Coach-Zeit in seinen trainierten Teams an und ich übernahm sie von ihm.
In dieser Pause stiess unser in der «Landesverteidigung engagierter» verschollener 3. Trainer Silvio zu uns. Ich möchte mich zu diesem Zeitpunkt nochmals bei Silvio bedanken. Viele Jugendliche in diesem Lebensabschnitt denken nicht zuerst an das Juniorenteam, das sie trainieren. Diesen Einsatz für unser Team schätze ich sehr.
Das nächste Spiel stand an. Philipp leitete wieder die Vorbereitungen. Die Marschrichtung war schnell erklärt, einfach so weiterspielen wie bisher.
Das Spiel lief aber nicht für uns. Die Junioren waren nach dieser Pause nicht mehr auf der gleichen geistigen Höhe wie zuvor. Der Gegner deckte kleinere Fehler in der Defensive auf und wir so spielten gegen Blau Gelb Cazis (Team Gelb) nur 2 zu 2 unentschieden.
In der Garderobe versuchte ich die Jungs durch eine etwas lautere Ansprache zu wecken. Bevor sie nach 17 Minuten wieder das Spielfeld betreten mussten, machten sie nochmals Sprintübungen um den Puls und den Kopf zu wecken.
Der Gegner des nächsten Spieles war Cazis (Team Blau). Die Bündner überraschten uns und gingen früh in Führung. Wir konnten den Rückstand nicht mehr einholen und trotz guter Leistung verloren wir knapp 2 zu 1 gegen eine durchaus schlagbare Mannschaft.
Nach diesen 4 Spielen stand das letzte Gruppenspiel gegen die Junioren B von Nuglar auf dem Programm. Wir wussten, dass dieses Spiel bestimmt sehr eng zu Ende gehen würde.
Der Jubel war gross, als Fabian mit einem super Volley das Tor traf. Die Defensive funktionierte wieder einwandfrei und wir gewannen mit 2 zu 0.
Nach Abschluss der Gruppenphase qualifizierten sich die beiden ersten Teams direkt fürs Halbfinale. Alle anderen Teams mussten in einem zusätzlichen Spiel die beiden letzen Halbfinalplätze ausspielen.
Als Gruppensieger waren wir gesetzt. Unglaublich. Was für eine tolle Leistung von allen.
Nach fast 2 Stunden Pause stand der Halbfinal auf dem Programm. Ich hatte wieder die Aufgabe die Jungs richtig auf diesen Halbfinal einzustimmen.
„Jungs. Ihr habt mir in der Vorrunde gezeigt, dass ihr unser System verstanden habt und es perfekt umsetzten könnt. Alles was jetzt kommt, Halbfinal und entweder der kleine oder der grosse Final ist für euch. Spielt Unihockey, geniesst jede einzelne Sekunde die ihr heute noch spielen könnt. Von unserer Seite (Trainerstab) ist dieses Turnier jetzt schon ein voller Erfolg.“ Mit diesen Worten gingen wir gemeinsam in die Halle auf den Halbfinalgegner Cazis (Team Blau) zu.
Zuvor haben wir gegen diese Mannschaft verloren, da sie uns durch ihr frühes unter Druck setzen überrascht haben. Dieses Mal konnten wir sie überraschen. Mit unserem Pressing auf den Ball konnten wir früh ein Tor erzielen. In der letzten Minute des Spiels und dem Spielstand von 2 zu 2, nahm Cazis den Torhüter hinaus. Philipp konnte den Ball ergattern und schoss auf das leerstehende Tor – und der ging rein! 3 zu 2 für unsere Mannschaft. Eine riesige Feier. Wir sind im Finale gegen Nuglar United. Wer hätte das gedacht.
Die Jungs waren überglücklich über diesen Finaleinzug. Bevor wir Trainer in die Garderobe traten, schrie der Captain einen Jubelschrei aus und alle Mitspieler stimmten mit ein.
Nun ging es um alles. Alles oder nichts. Ruhm und Ehre oder Tränen und Enttäuschung. Unser Gegner ist kein anderer als die Gastgeber aus Nuglar. Unsere Taktik ist klar. Defensiv sauber verteidigen und einzelne Nadelstiche in der Offensive setzten.
Das Spiel um Platz 3 ging zu Ende. Cazis hat das Spiel für sich entschieden. Ich hatte die Jungs angewiesen in einer Kolonne auf die Auswechselbank zu laufen und ruhig stehen zu bleiben um bei der Ehrung der beiden Teams, die im kleinen Final alles gegeben haben, die Ehre zu erweisen die ihnen gebührt. Nicht nur, dass sie das ohne zu zögern umgesetzt haben, sie haben auch noch beim Abschlussapplaus mit den Stöcken an die Banden geschlagen. Dies fand ich eine wunderschöne Geste gegenüber diesen beiden Teams. Ich bin sehr stolz ein Mitglied eines solchen Teams zu sein, das nicht nur faire Spiele bestritten hat, sondern auch noch die Courage besitzt, dem Gegner zu applaudieren, obwohl alle Gedanken sich nur noch um den Final drehten. Da kommen mir doch noch einige Worte aus dem Schulfranzösisch in den Sinn: „Chapeau Jungs“.
Das Finalspiel war nervenaufreibend. Beide Teams hatten eine super eingestellte Mannschaft und man bekriegte sich bis zur letzten Minute. Noch 40 Sekunden auf der Uhr und 1 zu 1 auf der Anzeigetafel. Alle Jungs wollten den Siegtreffer markieren. Der dritte Block stürmt nach vorn. Dies wird einer der letzten Angriffe sein. Alle drei rennen nach vorne, und ich ahne Böses, mir stockt der Atem. Fabian schiesst daneben und sogleich erfolgt der Gegenangriff. 2 Spieler von Nuglar ziehen alleine auf Jan Stehli los und versenken den Ball im Netz. Noch 20 Sekunden zu Spielen, 2 zu 1 zurück. Alle Fans auf Seite des Heimteams jubeln als gäbe es kein Morgen mehr. Der dritte Block, der nicht rechtzeitig zurückeilen konnte, war total am Ende.
Die Uhr läuft weiter ohne Unterbruch wie es im ganzen Turnier war. Ich schreie den dritten Block an, sie sollen Wechseln, schicke den ersten Block aufs Feld und schreie ihnen nach, dass sie sofort schiessen sollten.
Das Bulli wird gespielt. 5 Sekunden auf der Uhr. Philipp ergattert sich noch einmal den Ball eine Drehung, eine zweite Drehung ein Schuss. Wie in Zeitlupe verfolge ich den Ball wie er dem Torhüter über den Beinschoner fliegt, hinein in unser Glück. 0.2 Sekunden auf der Uhr es steht 2 zu 2. Ich kann mich nicht mehr halten und viele meiner Junioren ebenfalls nicht. Wir stürmen auf das Feld, als wäre dies der Siegtreffer gewesen. Ein tosender Applaus von den Rängen. Nuglar konnte es gar nicht fassen. Sie waren schon so nah an dem Titel.
Nun hiess es Penaltyschiessen. Dies ist immer sehr undankbar in einem Final, da man dies nicht als Mannschaft gewinnt oder verliert, sondern dies durch eine Einzelleistung eines Spielers oder eines Torhüters entschieden wird. Für mich sind die Schützen relativ klar. Lars und ich haben uns schon darüber unterhalten. Schiessen werden unsere Blockcaptains, namentlich Philipp Lätsch, Jan Keller und Fabian Gerecke. Während ich mit diesen dreien beschäftigt war, ging Lars zu unserem Goalie Jan Stehli, der bis dahin ein sehr gutes Turnier gespielt hat. Lars musste ihn zuerst einmal beruhigen, da dieser mit dieser Situation total überfordert war. Zuerst den Gegentreffer (den er nicht halten konnte) 20 Sekunden vor Schluss, dann der Jubel im letzten Moment des Spiels und nun die riesigen Erwartungen an ihn beim Matschentscheidenden Penaltyschiessen. All dies war einfach zuviel für ihn. Doch durch die richtigen Worte von Lars Dill konnte er sich auf das Penaltyschiessen fokussieren.
Als erstes lief Philipp Lätsch, unser Captain an. Ihn habe ich mir für diesen Job in unserem Team gewünscht, da er motivierend, selbstständig, als grosses Vorbild für die anderen Spieler und mit integriertem Beschützerinstinkt gegenüber dem Team auftritt.
Philipp war es auch, der nicht aufgegeben hat beim Rückstand, der die Verantwortung übernommen hat und der uns in der letzten Sekunde des Spiels wieder Hoffnung von einem Sieg zu träumen schenkte. Er lief an und verwandelte souverän.
Nun war Jan Stehli an der Reihe zu versuchen uns ein Stück näher an diesen Traum zu bringen. Doch der Spieler von Nuglar United gab ihm keine Chance.
Nächster Penaltyschütze von unserem Team war Fabian Gerecke. Er ist Captain des dritten Blockes der aus drei talentierten C Junioren besteht. Nach der Selektion haben diese Drei sich für das Team B1 empfohlen. Er lief an und scheiterte am grossartigen Torhüter von Nuglar.
Nun war noch mehr Druck auf Jan Stehli, der immer hinter Valentin Mathis eingestuft wurde. Jan gibt immer alles im Training, bekommt fast unmögliche Situationen die er des öftern mit grossartigem Einsatz und Willen erreichte. Der Spieler von Nuglar lief an und schoss. Jan zeigte sein ganzes Können und hält den Ball.
Als letzter Schütze unseres Teams ging Jan Keller auf den Ball zu. Unser kleiner Kämpfer, der niemals aufgibt, immer mit vollem Einsatz dabei ist und alle mit seiner Motivation richtig aufputscht. Er lief an und scheiterte am Keeper von Nuglar United. Die Enttäuschung über sich selbst stand ihm im Gesicht geschrieben als er mit allen abklatschte.
Den ersten Matchball für Nuglar vernichtete unser Torhüter mit Bravour, so dass der Krimi weiterging.
Habe ich schon erwähnt das ich diese Penaltyschiessen hasse. Es kam noch schlimmer. Nun ging es weiter mit je einem Schützen. Horror pur für meine Nerven und mein Herz.
Ich schickte als erstes noch einmal Philipp an den Penaltypunkt. Dieser konnte den Goalie nicht noch einmal bezwingen.
Jan Stehli zeigte noch einmal eine super Parade und gab uns nochmals eine Chance ein Tor zu erzielen.
Jan Keller, er wollte unbedingt zeigen, dass er es besser kann als vorhin. Er lief an, schoss, der Ball flog in Richtung Tor und konnte gerade noch so von Nuglar Torhüter abgewehrt werden.
Jan Stehli musste noch einmal antreten. Der Spieler von Nuglar lief an, täuscht auf die eine Seite an, nimmt den Ball auf die andere Seite und schiesst auf das Tor. Jan berührt den Ball mit der Hand, aber der Ball kullert trotzdem in die Maschen.
Nuglar feiert. Nuglar siegt. Meine Jungs sind am Boden zerstört. Jan Stehli bringt als einziges noch hinaus er habe den Ball noch berührt. Völlig hilflos steht er da. Jan Keller kullern die Tränen über das Gesicht. Der Trainerstaff hatte alle Hände voll zu tun um diese zwei wieder aufzubauen.
Ich kann es ebenfalls kaum glauben. Mit den Tränen ringend versuche ich gute Miene zum bösen Spiel zu machen.
Als wir zurück in der Garderobe gehen, hören wir wie Philipp verzweifelt versucht die Jungs aufzumuntern.
Was soll man da einer Mannschaft sagen? Das Glück war einfach nicht auf unserer Seite.
Ich habe sie nochmals gelobt für das super Turnier. Die Fortschritte, die sie seit Beginn dieser Saison errungen haben, seien unglaublich und dass sie, wenn sie so weiterarbeiten, sich auf eine sehr gute Saison freuen können.
Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bei meinem Trainergespann bedanken. Sie haben einen unglaublichen Start hingelegt. Überlegt, vollen Einsatz geben, immer wieder von mir ins kalte Wasser geworfen worden und diese Herausforderung super gemeistert. Ich erwarte viel von ihnen und es kommt viel mehr von ihnen zurück.
Anfangs dieser Saison hatte ich Zweifel, ob ich ein Team als Head Coach leiten kann. Sie haben mir nicht nur die Angst genommen, sondern mir diese Aufgabe sehr leicht gemacht und das sollte erwähnt werden.
In diesem ganzen Bericht habe ich eine grosse Partei nicht erwähnt die einen riesigen Helferdienst leistet im Hintergrund. Die Eltern unserer Mannschaft.
Sie schicken die Jungs in jedes Training. Viele Eltern fahren bei jedem Training ihre Kinder hin und her, was bei 3 Trainings in der Woche sehr anstrengend sein kann. Dafür möchte ich euch Eltern ganz herzlich im Namen unseres Trainerstabes danken. Auch dieser Einsatz soll geschätzt werden.
An diesem Nuglar Cup gab es mehrere Eltern die den ganzen Tag in Nuglar geblieben sind. Mitgefiebert, mitgefeiert und auch mitgelitten haben. Denen möchte ich noch zum Schluss dieses ‘kleinen‘ Berichts nochmals unseren Dank aussprechen.
Tobias, Head-Coach Junioren B1